Venedig im Herbst

Bei Venedig im Herbst in der Woche vor Halloween erwartete ich feuchte Tage, trübes Licht und mystische Nebelschwaden, die langsam vom Meer über die Kanäle und durch die engen Gassen kriechen. Hie und da zogen ein paar Wolkenfetzen über den ansonsten klaren blauen Himmel. Die Serenissima erstrahlte im Licht des goldenen Herbsts.

Venedig hat man nie ganz gesehen. Bei jedem Besuch finde ich mich plötzlich an einem Ort wieder, wo ich noch nie zuvor gewesen bin, wie in den Giardini am östlichen Ende der Stadt. Lässt man den Hauptveranstaltungsort der Biennale links liegen, ergibt sich die Möglichkeit für einen Spaziergang durch eine idyllische Grünanlage und ein ruhiges Wohnviertel. Dort gibt es nicht nur keine Touristen, am Samstagvormittag waren nicht einmal Einheimische unterwegs. Der Kai erlaubt einen schönen Blick auf die Silhouette Venedigs. Solche Ortsansichten zu zeichnen fällt mir gar nicht leicht, wobei hier die Schwierigkeit darin lag, die gesamte Ansicht auf eine A5 Seite zu bringen.

Dann gibt es Plätze, an denen ich schon öfters gewesen bin, die allerdings immer noch ein ungeahntes Geheimnis bergen. Ich kannte zwar das exzellente Eisgeschäft beim Campo Bandiera e Moro und die kleine Straße, die nur die Mutigsten benutzen, trägt sie doch den Namen "Calle della Morte", an der unscheinbaren Kirche S. Giovanni in Bragora war ich stets vorbeigegangen. Gerade für mich ein unverzeihlicher Fehler, ist es doch die Taufkirche von Antonio Vivaldi – einer meiner Lieblingskomponisten. Auch kaum beachtet ist die (vermutliche) Wirkungsstätte des bedeutenden Druckers und Typographen Aldo Pio Manuzio nahe des Campo Sant’Agostin. Venedig, nicht unbedingt eine Stadt der Schriftsteller, war einst ein bedeutendes Zentrum des Buchdrucks. Manuzio druckte 1495 erstmals in altgriechischen Lettern. Neben diesem wichtigen Beitrag zum Humanismus verdanken wir ihm darüber hinaus die Kursivschrift und das Taschenbuch.

Einen Tag widmete ich – nein, nicht dem Zeichnen – dem Shopping. Wenn es sich nicht gerade um ein Buchgeschäft handelt, hasse ich Einkaufen. Mittlerweile füllen meine Stammgeschäfte in Venedig eine ganze Liste und da sie ziemlich verstreut liegen, ist es unter einem Tag kaum zu schaffen. Ganz abgesehen davon, dass sich an so einem Tag mehrmals eine Ruhepause inklusive Aperol einlegen lässt.

Das Urlaubsvideo von Venedig erstreckt sich nun über 5 Jahre und dauert an die 20 Minuten. Wenn ich noch ein paar Mal hinfahre, habe ich einen abendfüllenden Spielfilm gedreht.

 

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