Wer mir nächstes Jahr auf Torcello sicher nicht auf die Nerven gehen wird

Der Herbst verändert einiges auf Torcello. Die Besucher werden weniger, was vielleicht mit dem geänderten Fahrplan der Vaporetti zu tun hat. Die letzten Jahre gab es immer eine direkt Verbindung mit Venedig, diesmal lediglich morgens oder abends. Als ich einmal in der Früh aus dem Fenster blickte, marschierte eine ganze Touristengruppe den Hauptkanal entlang. Ansich nichts Ungewöhnliches, nur war es erst 9 Uhr. Vor 10 Uhr 30 öffnet keine der wenigen Sehenswürdigkeiten auf Torcello. Bis dahin sieht man vorwiegend verschlossene Fenster und Türen. Anderntags standen gegen 20 Uhr einige Besucher mit leicht verzweifeltem Gesichtsausruck an der Anlegestelle der Vaporetti und hofften auf eine Fahrgelegenheit Richtung Venedig. Was die wohl die letzten Stunden getan hatten? Spätestens ab 17 Uhr 30 ist auf der Insel alles zu und um diese Jahreszeit wird es früh dunkel, dann sieht man vorwiegend Straßenlaternen. Die sind auf Torcello exzellent vor allem im Vergleich mit Venedig, wo entlang des Canal Grande La Funzel, das Lämpchen und abseits davon die totale Finsternis regiert, aber eine mehrstündigen Besichtigungstour sind sie wiederum nicht wert. Umgekehrt werden sich die wenigen Fahrgäste im Vaporetto gefragt haben, was die zwei irren Touristen, die nächtens als einzige in Torcello ausstiegen, dort eigentlich treiben. Tagsüber jedenfalls hieß es, in Burano umsteigen. Das eröffnete mir die Gelegenheit die Insel einmal von der Nachbarinsel aus zu zeichnen.

Meine bis zu diesem Zeitpunkt so hoch geschätzte Tinte von De Atramentis hat mich schmählich enttäuscht. In beiden Fläschchen von Urban Grey haben sich die Pigmente auf den Boden abgesetzt. Sämtliches Rühren und Schütteln half nichts, ich habe klare Flüssigkeit mit pigmentiertem Bodensatz. Das ist mir bei noch keiner anderen Dokumententinte dieser Firma passiert. Höchste verärgert musste ich mir einen neuen Outliner organisieren. Ich hatte einige Sakura Pigma Micron Fineliner daheim, von denen ich vorort feststellen durfte, dass sie nur bedingt wasserfest sind. Daher haben alle Sketches leicht schwarze Schlieren.

Der Vorteil einer privaten Unterkunft ist zum einen eine unkonventionelle Aussicht, wie auf die Rauchfänge der Locanda Cipriani.

Zum zweiten ein großer Garten, von dem Torcello aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden kann. Erstmalig war ich vor neugierigen Fragen und Blicken absolut sicher, ich saß nämlich in der ansonsten unzugänglichen Uferböschung des Hauptkanals.

Die (fast) einsame Insel in Venedigs Laguna morta bot die Woche vor Halloween genauso wenig Gruselstimmung wie die Stadt selbst. Die sonnigen Stunden des goldenen Herbst führten zum dem interessanten Phänomen, dass es Ende Oktober noch Eidechsen und leider auch Gelsen gab. Ein besonders aggressives Exemplar brachte mich bei der Zeichnung der Kirche San Fosca völlig aus dem Konzept.

Eines ist jedoch ganz sicher, diese Gelse wird mich bei meinem Aufenthalt nächstes Jahr nicht mehr sekieren. Zu guter Letzt habe ich sie endlich erwischt.

PS: Im Jahr darauf haben ihre Verwandten furchtbare Rache an mir genommen.

 

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