Abgesehen von einer turbulenten Fahrt durch die Barentsee hatte ich die Schiffsreise in die Arktis als sehr ruhig in Erinnerung. Daher war ich absolut davon überzeugt, zahlreiche Zeichnungen aus der Antarktis zurückzubringen. Tatsächlich war die See dort um einiges rauer, das Schiff hatte weniger Fensterplätze und an Land zeichnen erwies sich als viel schwieriger, als vermutet. Vielleicht lag es auch nur an mir. An Bord war ein netter Herr aus England, der sogar bei stärkerem Seegang an Deck stand und malte.
Wir hatten den südlichen Polarkreis schon überquert, als ich erstmals zum Pinsel griff.
Auf Detaille Island (66°52′S 66°47′W) steht die aufgelassene britische Station W aus den 1950er Jahren. Zunächst versuchte ich mich am gegenüberliegenden Eisberg samt Festlandgletscher. Obwohl ich daheim stundenlang die richtige eisblaue Tinte zusammengemixt hatte, war bald klar, daß die blauen Linien eher störend wirken. Noch störender waren die ständigen Bewegungen eines ankernden Schiffs (Ich hab’s wirklich nicht so mit der Seefahrt.). Jedes Mal wenn ich aus dem Fenster blickte, sah ich einen anderen Teil des Eisbergs und der Küste. Mit der Insel war es etwas leichter, weil ich den Mast und die Gebäude als Referenzpunkte nehmen konnte.
Die Tinte ließ ich für den Rest der Reise überhaupt weg. Stattdessen ich beschränkte mich auf Aquarellstifte und –farben. Ein bewölkter Himmel in der Antarktis macht alles noch schwerer, da Wolken, Meer und Eis eine fast einheitlich graue Form bilden.
Bei Stonington Island (68° 11′ 7″ S, 66° 59′ 49″ W) kam die Sonne hervor und die See wurde ruhiger. Auf der Insel gibt es zwei aufgelassene Stationen. Die amerikanische East Base war von 1939 bis 1941 in Betrieb. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die britische Base E errichtet, aber eine Jahre später wieder aufgegeben.
Früher war die Insel mit dem dahinterliegenden North-East Gletscher verbunden. Der kalbte gerade so stark, daß man vor lauter Eis oft das Meer nicht mehr sah.
Nur einmal bin ich mit meiner gesamten Ausrüstung an Land gegangen. Wer einen Fuß auf die Antarktis setzen möchte, muß zuvor alles, was die Umgebung berühren könnte, absaugen und desinfizieren lassen. Das betrifft nicht nur Kleidung und Rucksack, sondern auch Kameraausrüstung und Ähnliches. Natürlich hatte ich meine Zeichensachen nicht speziell behandeln lassen. Ich durfte also nichts abstellen, mußte alles auf meinen Beinen balancieren, was sehr unbequem war und durfte keine Farbe oder Malwasser verspritzen. Wer möchte schon daran schuld sein, daß ein putziger Pinguin eventuell an Manganblauvergiftung stirbt!
Beim zweiten Versuch auf Halfmoon Island (62° 35′ 24″ S, 59° 54′ 36″ W) nahm ich nur mehr einen Aquarellstift und einen Fineliner mit. Koloriert habe ich das Ganze daheim. Im Hintergrund sieht man die argentinische Cámara Station, im Vordergrund unterhalten sich Zügelpinguine vermutlich über die neueste Frackmode.
Weitere niedliche Frackträger und vieles mehr aus der Antarktis gibt es hier zu sehen: Antarktis – meine Reise über den südlichen Polarkreis